Releasetermin: 23.10.2015
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Action-Adventure
Entwickler: Ubisoft Montreal
Herausgeber: Ubisoft
Vor rund 12 Monaten veröffentlichte Ubisoft mit Assassin’s Creed Unity wohl eins der umstrittensten Spiele des letzten Jahres. Der Titel machte mit fehlender Optimierung und schlechter Performance Schlagzeilen und löste einen regelrechten Shitstorm aus. Nun ist bereits der Nachfolger Syndicate auf dem Markt – und diesmal lief die Veröffentlichung tatsächlich ohne große Aufregung ab. Woran das liegt, versuche ich in meinem Test herauszufinden.
Geschwisterliebe gegen Templer-Orden
Syndicate schickt die Spieler während der Industriellen Revolution nach London. Das Setting ist stets eine große Stärke der Serie und so schafft auch der neuste Teil es, einen interessanten Schauplatz zu einem historisch bedeutsamen Zeitpunkt abzuliefern. Geschichte und Fiktion treffen aufeinander und so werden uns die Templer als Herrscher über London präsentiert. Als diese verfügen sie nicht nur über Großbritannien, sondern gar über das ganze Britische Weltreich. Die Templer sind nah dran an der Weltherrschaft – und wer bereits vorherige Teile gespielt hat weiß, dass dem Orden nicht zu viel Macht gewährt werden sollte. Die beiden Hauptakteure kommen aus den Reihen der Assassinen. Diese sind jedoch von der Übermacht der Templer überwältigt und sehen von Aktionen gegen sie ab, da die Manöver an Selbstmord grenzen würden. Das Protagonisten-Geschwisterpaar lässt dies nicht auf sich sitzen und so machen sich Jacob und Evie Frye selbstständig auf den Weg nach London, um die Stadt von der Templer-Kontrolle zu befreien. Die Geschichte ist recht linear gestrickt und handelt im Grunde genommen vorrangig vom utopischen Vorhaben der Frye-Geschwister. Die eindimensionale Haupthandlung schadet dem Spiel aber keineswegs, sondern bietet eine willkommene Abwechslung zu den sonst so aufgezwungenen Verstrickungen der Serie. Syndicate hat mit Jacob und Evie zwei interessante Figuren zu bieten, die mit unterschiedlichen Charakterzügen für Unterhaltung sorgen. Während Jacob darauf bedacht ist, seine Unterstützung in Form einer Gang auszuweiten, hat Evie primär nur die Jagd auf den Edensplittern im Kopf, auf die es die Templer abgesehen haben. Viele spannende Nebenfiguren mischen die Handlung auf. Die Reihe war schon immer bekannt dafür, historisch bekannte und wichtige Personen im Spiel auftauchen zu lassen – Leonardo da Vinci lässt beispielsweise grüßen. Nie aber war die Dichte der historisch relevanten Nebenfiguren so hoch wie in Syndicate. Charles Dickens, Charles Darwin, Karl Marx und Alexander Graham-Bell liefern in Nebenaufgaben nicht nur spaßige Tätigkeiten, sondern auch interessante Sichtweisen über das viktorianische London. Marx unterstreicht zum Beispiel die missliche Lage der Arbeiter in London, während Dickens die allgemein herrschende Abhängigkeit vom Aberglaube kritisiert. Diese Umsetzung macht Syndicate nicht nur zum historisch relevantesten Teil der Serie, sondern bringt jüngeren Spielern zugleich eine Lehrstunde mit. Zudem hat Ubisoft erstmals in einem Hauptspiel der Reihe eine Frau zur Protagonistin gemacht und beschäftigt sich mit Minderheiten in der Geschichte. Trotz vermeintlich simpler Haupthandlung hat das Spiel etliche interessante Aspekte zu bieten.
Bekannter Gameplay-Kern trifft auf neue Aspekte
Da die Zwillinge bereits Assassinen sind, fällt der Einstieg ins Spiel anders aus als noch in den Vorgängern. Mussten die früheren Protagonisten den Umgang als Assassine erst noch erlernen, werden wir in Syndicate gleich ins Geschehen geschmissen. Natürlich gibt es der Neulinge halber auch ein Tutorial, doch bleibt uns eine zähe Einführungsphase erspart, die mir persönlich in Unity zum wiederholten Mal auf den Senkel ging. Sobald Spieler in der britischen Hauptstadt ankommen, ist einmal mehr allerdings Altbekanntes geboten. Es gilt, die Stadt zu erkunden, jede Menge Sammelobjekte zu finden, die Widerstandspräsenz zu erhöhen und die Templer aus mehr und mehr Regionen zu vertreiben. Im Großen und Ganzen kommen hier in der offenen Welt Aktivitäten zum Zuge, die jeder Assassin’s Creed Fan in- und auswendig kennen dürfte. Ich habe mich über die Implementierung einer Gang gefreut. Im Kampf gegen die Templer können die Frye-Geschwister alleine wenig ausrichten, doch mit Gleichgesinnten stehen die Chancen höher. Sie gründen die „Rooks“, die uns fortan in unserem Vorhaben helfen. Diese Einbindung einer Gang erinnerte mich an Assassin’s Creed Brotherhood, wo Spieler die titelgebende Bruderschaft zur Hilfe rufen konnten. Es ist befriedigend, Mitglieder der Rooks herbeizurufen und bei einem Kampf einmal entspannt zuzusehen, anstatt selbst immer im Mittelpunkt der Gefechte zu stehen. Das Kampfsystem übrigens gleicht weitestgehend dem seines Vorgängers und legt wie gewohnt große Betonung auf Konter-Angriffe. Doch gewohnte Aspekte einmal beiseite, denn Syndicate bringt auch gänzlich neue Elemente in das Spielgeschehen ein. Wer einen Trailer zum Spiel gesehen hat, wird sicherlich die schicken Kutschen erblickt haben, die unsere Protagonisten steuern können. Es gibt Wettrennen zu bestreiten, die mir großen Spaß bereiteten. Ebenfalls neu dabei ist ein Greifhaken, der das Fortbewegungs- und Klettersystem erweitert. Nie war es so leicht, in Sekundenschnelle auf ein Dach zu gelangen. Der Greifhaken macht einen besseren Spielfluß möglich, auch wenn die Fortbewegung nach wie vor nicht optimal gelingt. Zu oft klettert meine Spielfigur eine falsche Stelle empor oder tritt ungewollt ins Leere herab, was einmal mehr zeigt, dass das entsprechende System trotz neuem Greifhaken noch Luft nach oben hat. Spielerisch ebenso eine Neuerung sind die zwei Hauptfiguren. Abseits von Figur-exklusiven Story-Missionen können Spieler jederzeit zwischen den Zwillingen hin und her wechseln. Die Protagonisten kommen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen und abweichender Ausrüstung daher. Evie stellt die klassische Assassinen-Lady dar, die aufs Schleichen bedacht ist. Jacob hingegen sucht die Konfrontation und ist auf physische Kraft spezialisiert. Die Figuren machen völlig unterschiedliche Spielweisen möglich. Durch die Figuren-spezifischen Fähigkeiten werden wir in manchen Situationen gezwungen, den Charakter zu wechseln, was zu lobenswerter Abwechslung führt. Jacob und Evie verfügen über eigene Skillbäume, teilen sich aber ihre Erfahrungspunkte. Wer eine Figur bevorzugt spielt, lässt den anderen Charakter also nicht auf der Strecke. Im Kern ist Syndicate ein klassischer Teil der Serie, der mit den typischen Tätigkeiten in der offenen Welt daherkommt. Die neuen Aspekte fügen sich allerdings allesamt gut ein und frischen das Geschehen auf. Insbesondere die Möglichkeiten der Geschwister und die daraus resultierende Abwechslung kann in dieser Hinsicht punkten.
Solide Performance, aber nicht frei von Fehlern
Trotz doppeltem Hauptcharakter hat Ubisoft dem Spiel einigen Limitierungen auferlegt. Anders als in Unity ist nicht mehr jedes Fenster betretbar. Die riesigen Menschenmassen gehören ebenfalls der Vergangenheit an. Syndicate richtet sich hinsichtlich der NPC-Dichte wieder an vorherige Teile. Selbst der Koop-Modus ist Geschichte, obwohl er angesichts des Zwillingsprinzips durchaus Sinn gemacht hätte. Ruft man sich allerdings die Performance-Probleme von Unity ins Gedächtnis, sind solche „Rückschritte“ zu loben. Ubisoft scheint eine solide Spielerfahrung abliefern zu wollen, die diesmal nicht von technischen Problemen geplagt ist. Zugegeben, frei von Fehlern ist Syndicate nicht. In meiner Spielzeit sind mir einige Bugs und leichte Framerate-Einbrüche aufgefallen, zudem ploppen Passanten gelegentlich aus dem Nichts auf. Diese kleineren Probleme sind in Spielen mit offener Welt allerdings oft zu sehen und im Vergleich zum Zustand von Unity nach Veröffentlichung ist definitiv eine Verbesserung zu beobachten. Die Grafik ähnelt der von Unity, wenn man die verminderte Population ausklammert. Die Charaktermodelle sind nach wie vor detailliert, auch die Beleuchtung hat tolle Anblicke zum Resultat. Die Umgebungen überzeugen mit einer großen Detailfülle, auch wenn sich so manche hässliche Textur unter die Optik mischt. Insgesamt gibt der Titel einen ansehnlichen Grafikeindruck ab. Die Sprecher liefern einen guten Job ab, der Soundtrack passt sich der Situation an und unterstreicht spannende Momente. Mit klassischen Klängen fügt man sich zudem gut in die Zeitspanne ein.
Fazit
Assassin’s Creed Syndicate ist ein absolut solider Ableger der Reihe geworden. Mit dem Konzept der spielbaren Zwillinge und dem Greifhaken bringt Ubisoft frischen Wind ins Geschehen, das sich ansonsten jedoch vom Gewohnten auszeichnet. Das viktorianische London überzeugt mit interessanten Nebenfiguren als spaßiger Schauplatz. Es ist schön zu sehen, dass sich Ubisoft um eine bessere Performance als noch in Unity gesorgt hat, auch wenn Syndicate nicht frei von Bugs und Framerate-Einbrüchen ist – das ist wohl ein Problem, das durch die jährliche Veröffentlichung der Serie nicht abzuwenden ist. Trotz alledem kann ich das Spiel als gelungenes Gesamtpaket allen empfehlen, die auch nur geringfügig an der Serie interessiert sind.
Zwillings-Konzept geht voll auf und bietet Abwechslung
Toller Schauplatz und interessante, namenhafte Nebencharaktere Greifhaken und Kutschen fügen sich spaßig in das gewohnte Geschehen ein In Bewegung hübsche Grafik und passende Soundkulisse |
Fortbewegung beim Klettern nach wie vor ausbaufähig
Nicht frei von Bugs und leichten Grafik-Problemen |
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