Releasetermin: 25.05.2018

 

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Adventure
Entwickler: Quantic Dream
Herausgeber: Sony

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Fünf Jahre sind seit der ersten Tech-Demo von Detroit: Become Human vergangen. Zwar bin ich großer Fan von der Art, wie David Cage und Quantic Dream ihre Spiele kreieren. Dennoch hielt ich meine Vorfreude dieses Mal bewusst auf Sparflamme. Heavy Rain hat mich seinerzeit absolut umgehauen und mir eine neue Sicht auf das Gaming-Medium ermöglicht: die Mischung aus interaktivem Thriller und unmittelbaren Konsequenzen des eigenen Handels sorgten bei mir für eine hochemotionale Achterbahnfahrt. Beyond: Two Souls kreierte den Wow-Effekt einige Jahre später jedoch nicht – ständige Zeit- und Schauplatzwechsel, fehlende Identifikation mit der Protagonistin und wirre Story-Entwicklungen ließen mich enttäuscht zurück. Schaffen die Entwickler, mich mit Detroit: Become Human wieder zu begeistern?

Wenig Spiel, viel Story

Die direkten Vergleiche zwischen den einzelnen Titeln von Quantic Dream ziehe ich nicht ohne Grund. Auch Detroit: Become Human entspringt rein spielerisch der gleichen Adventure-Formel wie schon seine geistigen Vorgänger. Heißt im Klartext: Gameplay-Mechaniken beschränken sich auf Erkunden von Schauplätzen, Führen von Dialogen und Quick-Time-Events. Dieses Rezept klingt zunächst trocken, stellt aber die ideale Vorlage für den interaktiven Neo-Noir-Thriller dar, mit dem euch Quantic Dream ungefähr zehn Stunden begeistern möchte. Zehn Stunden, die euch wiederholt über die aktuelle Gesellschaft, weltpolitische Situationen und ethische Fragen nachdenken lassen.

Die amerikanische Metropole Detroit im Jahre 2038. Mit dem steigenden technischen Fortschritt der letzten Jahre wurden besonders künstliche Intelligenz und Androiden – also menschliche Roboter – zu zentralen Entwicklungen. Inzwischen wird jeder zweite Laden von einem Androiden geführt, Menschen stellen die Roboter als Hausdiener ein und denken sogar über einen militärischen Einsatz der Technologie nach. Durch aufwändige Programmierung und ständigen Zugriff auf riesige Cloud-Datensätze sind die Androiden der Firma Cyberlife zum idealen Begleiter geworden. Connor, einer der drei Protagonisten von Detroit: Become Human, wird zum Beispiel im Polizeidienst eingesetzt. Blutproben analysieren, Tathergänge umfangreich rekonstruieren, menschliche Emotionen einschätzen – für den Job scheint er wie gemacht.

Menschen sind schwache Maschinen

Doch was passiert, wenn Androiden plötzlich beginnen Emotionen entwickeln? Können Androiden überhaupt fühlen? Nein, es sind ja schließlich keine Menschen. Aber sind es bei uns nicht auch nur chemische Prozesse, die über Freude oder Wut bestimmen? In seiner Rolle beim Detroit Police Department sind es genau solche Themen, die Connor beschäftigen. Sogenannte „Abweichler“ tauchen in letzter Zeit vermehrt auf. Androiden, die offenbar einen Fehler in ihrer Programmierung haben. Sie verweigern plötzlich Befehle, wollen aus ihrer Sklavenrolle ausbrechen und sind dafür sogar bereit, ihre Besitzer zu töten. Ein Zusammenhang zwischen den Abweichlern lässt sich zunächst nicht hinstellen, schließlich handelt es sich um gänzlich verschiedene Modelle. Bei der Untersuchung von Tatorten kann für Connor daher jedes Detail zählen. Zum Beispiel ein Androiden-Katalog, der darauf hinweisen könnte, dass die Besitzer ihren Androiden ersetzen könnten. Oder ein mysteriöser Schriftzug, den der Android offenbar hundertfach an die Badezimmerwand gekritzelt hat. Bemerkt ihr solche Dinge nicht, können euch im Nachhinein wichtige Dialogoptionen fehlen. Das spannende: hierdurch können einzelne Kapitel für verschiedene Spieler ganz unterschiedlich ablaufen. Von Beziehungen zu anderen Charakteren, über die Entwicklung der Geschichte bis hin zu Entscheidungen über Leben und Tod – jeder Schritt zählt.

Zugegeben, die Thematik von Androiden, die Emotionen entwickeln, wurde in Literatur und Film schon zuhauf behandelt. Doch gerade aus diesem Grund ist der spielerische Ansatz von Detroit: Become Human hervorragend gewählt. Statt einer festgefahrenen Story zu folgen, beeinflussen die Entscheidungen des Spielers den Verlauf der Handlung. Ich beschäftige mich gezwungenermaßen mit Sachverhalten, die vielleicht in gar nicht so weiter Zukunft liegen und setze mir nach und nach mein Puzzle zum Thema „Was sind Chancen und Gefahren von Androiden?“ zusammen.

Das Ganze ist besonders deshalb so wirksam, weil Detroit auch abseits der Androiden unglaublich authentisch inszeniert wird. Während ich als Android Markus einige Einkäufe für meinen Besitzer abhole, sehe ich am Straßenrand Obdachlose. Menschen, die ihre Arbeit durch Androiden verloren haben. Ich sehe soziale Ungleichheit und eine riesige Kluft zwischen Arm und Reich. Ich merke, was die Macht eines Großkonzerns auslösen kann. Ich sehe Proteste gegen den technischen Fortschritt. Doch wer ist hier gerade überhaupt im Recht? Ist nicht die Diskriminierung offensichtlich lebendiger Androiden das viel schlimmere Vergehen?

Jeder Einzelne zählt

Am meisten hat mich aber die Perspektive der Haus-Androidin Kara begeistert. Ihr Besitzer hat selbst mit der androidverschuldeten Arbeitslosigkeit zu kämpfen, wurde von seiner Frau verlassen und ist mit der Erziehung seiner jungen Tochter Alice offensichtlich überfordert. Er entzieht sich seiner Situation durch Alkohol- und Drogenkonsum, wird als Folge jedoch aggressiv und attackiert sogar seine eigene Tochter. Als Kara das sieht, wird sie selbst zum Abweichler. Sie möchte Alice um jeden Preis aus diesem Horror befreien, lebt fortan mit ihr auf der Flucht. Auch dieser Storypfad wirft zahlreiche moralische Fragen auf, bleibt dabei aber sehr bodenständig. Die Fokussierung auf Einzelschicksale hat mir schon bei Heavy Rain großartig gefallen, durch die emotionale Beziehung zwischen Kara und Alice wird dieser Erzählstrang für mich zum Highlight des Spiels.

Dass Detroit: Become Human so großartig funktioniert, ist besonders den starken Dialogen und den nachvollziehbaren Charakterentwicklungen zu verdanken. Auch die Regie, mit der David Cage problemlos auf einem ähnlichen Niveau wie Hideo Kojima spielt, ist dank aufwändiger Inszenierung einfach nur fantastisch. Emotionen werden durchweg glaubwürdig vermittelt, eine Leistung, die sonst nur wenigen anderen Entwicklern gelingt. Das liegt daran, dass auch das ganze Drumherum stimmt: eine vorbildliche deutsche Sprachausgabe, der stimmungsintensive Soundtrack und ein stilsicherer Scifi-Look mit beeindruckend realistischer Grafik. Ich bin immer wieder begeistert, wie umfangreich die Auswirkungen einzelner Taten waren. Nach einem jeden Kapitel zeigt ein Ablaufdiagramm anschaulich, welchen Weg man gewählt hat und welche Szenen und Möglichkeiten man alle verpasst hat. Das wird besonders gegen Ende interessant: je nachdem wie Beziehungen sich entwickelt haben und welche Charaktere vielleicht auch nicht überlebt haben, fallen ganze Teilszenen weg oder werden ersetzt.

Der letzte Eindruck bleibt

Ich bin bewusst wenig auf den Verlauf der Geschichte eingegangen. Seid euch aber sicher: Detroit: Become Human wird euch schocken, wird euch vor schwierige Entscheidungen setzen, euch zum nachdenken bringen und euch schlichtweg grandios unterhalten. Leider war es ausgerechnet die Schlussphase des Spiels, die meinen Gesamteindruck etwas schmälert. Im Kontrast zum emotionalen Einzelschicksal von Kara denkt Detroit: Become Human gegen Ende zu groß. Die Handlungsstränge finden zwar irgendwo glaubwürdig zusammen, werden aber gegen Ende viel zu hektisch abgearbeitet, Schlüsselszenen kommen nicht wirklich zur Geltung und Teile der Geschichte werden nicht zu einem würdigen Abschluss gebracht. Vielleicht habe ich auch meinen Verlauf der Geschichte etwas falsch gewählt, aber ich wurde letztendlich nicht mit der Gänsehaut aus dem Abenteuer entlassen, mit der ich nach dem erstklassigen Auftakt gerechnet habe. Genauso hätten einige der Mini-Rätsel oder die Detektivarbeit von Connor ruhig etwas mehr Tiefgang vertragen können.

Wertung im Einzelnen
Story
9
Grafik
9
Sound
9
Gameplay
8
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