Releasetermin: 13.11.2018

 

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Stealth
Entwickler: IO Interactive
Herausgeber: Warner Bros.

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Mit Hitman begann IO Interactive vor zwei Jahren die Neuausrichtung ihrer bekannten Stealth-Reihe. Die Veröffentlichungspolitik in Form nacheinander erscheinender Episoden stieß zwar bei einigen Spielern auf Kritik, das grundsätzliche Feedback zum Spiel war aber überwiegend sehr positiv. Zwei Jahre später kehren die Entwickler mit einem Nachfolger zurück: Die Idee der einzelnen Episoden wurde mal eben über Bord geworfen – abgesehen davon richtet sich Hitman 2 aber sehr stark an seinem Vorgänger aus und nimmt nur Verbesserungen im Detail vor. Warum aus dieser Formel eines der besten Videospiele des Jahres resultiert, erfahrt ihr im folgenden Test!

Das 2-in-1-Paket

Das Hauptmenü von Hitman 2 kann zu Beginn etwas verwirrend sein, da es sich mehr wie eine Art „Hitman-Hub“ präsentiert. Soll heißen: Ihr findet dort zwar in erster Linie die neuen Spielinhalte aus Hitman 2, sämtliche Level aus dem direkten Vorgänger sind aber ebenfalls in die Übersicht eingebunden. Von vornherein spielbar sind nur die neuen Missionen aus Hitman 2 – wer auch die Missionen der alten Schauplätze spielen möchte, kann sich das Legacy-Pack dazukaufen und hat fortan das gesamte Hitman-Erlebnis in einem Spiel. Das ist grundsätzlich eine echt coole Idee, für mich war der „Shop im Spiel“ aber ein wenig zu aufdringlich – das hätte man etwas besser lösen können.

Aber keine Sorge: Ihr braucht definitiv kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um in Hitman 2 ein vollwertiges Spielerlebnis geboten zu bekommen. Auch der zweite Teil erzählt erneut eine eigene Geschichte, die zwar unmittelbar an das Ende des Vorgängers anknüpft, aber auch ohne Vorkenntnisse gespielt werden kann. Die Geheimorganisation „Providence“, zusammengesetzt aus hochrangigen Menschen aus aller Welt, lenkt insgeheim den gesamten Planeten. Der ikonische Auftragskiller Agent 47 bekommt von einem mysteriösen Schattenklienten Aufträge für Attentate zugespielt, die sich gegen die Mitglieder dieser mächtigen Organisation richten.

Die wahren Schätze liegen auf dem Weg

Die Prämisse ist durchaus spannend, im Endeffekt fungiert die Story aber mehr als loses Gerüst für die einzelnen Story-Kapitel. Bevor ihr als Agent 47 von einem Einsatzort zum nächsten reist, gibt es stets eine kurze Einsatzbesprechung sowie kleinere Standbild-Zwischensequenzen, mit denen die einzelnen Missionen etwas verknüpft werden. Die wesentlich interessante Erzählung findet in meinen Augen aber innerhalb der einzelnen Missionen statt: Nicht nur die Auftragsziele von Agent 47 werden mit einer umfangreichen Hintergrundgeschichte angereichert, auch bei eher unbedeutenden Figuren am Rande der Mission warten spannende Beziehungsgeflechte und Geheimnisse, die es aufzudecken gilt. Ob geheime Liebschaften im skrupellosen Drogengeschäft oder KI-Soldaten für die moderne Kriegsführung – in Hitman 2 gibt es unglaublich viel zu entdecken!

Insgesamt besteht Hitman 2 aus nur fünf verschiedenen Schauplätzen sowie einem kleinen Prolog. Das klingt erstmal nach wenig und tatsächlich können selbst ungeübte Spieler die gesamte Story-Kampagne problemlos innerhalb weniger Stunden absolvieren. Doch so ist Hitman 2 nicht konzipiert – stattdessen solltet ihr euch auf etliche Durchgänge des selben Levels einstellen. Bei jedem Schauplatz gibt es ein bis drei Personenziele, die ausgeschaltet werden müssen – wie ihr das machen wollt, liegt ganz in eurer Hand. Dafür bietet auch Hitman 2 das kleine Einmaleins der Stealth-Spiele: Mit schallgedämpften Pistolen, ablenkenden Wurfgegenständen und tödlichem Gift ist Agent 47 mit dem Standard-Arsenal für den unbemerkten Mord gerüstet. Ihr könnt – und müsst – aber auch in fremde Verkleidungen schlüpfen um euch unauffällig in bestimmten Gebieten aufhalten zu können, Schlüssel entwenden um verschlossene Türen öffnen zu können, Leichen verstecken und zum Beispiel Stromkästen manipulieren, um mögliche Zeugen aus dem Weg zu locken.

Die Qual der Wahl

Doch es ist teilweise gar nicht so einfach, überhaupt in die Nähe der Zielpersonen zu kommen. Bei einem großen Rennereignis in Miami müsst ihr zum Beispiel den erfolgreichen Unternehmer Robert Knox und seine Tochter Sierra, eine berühmte Rennfahrerin, aus dem Weg räumen. Die Spielwiese, die Hitman 2 dem Spieler hierfür präsentiert, ist grandios. Vom Eingang des Events über die Fantribünen, ein anliegendes Hotel bis zu einer Promenade aus Imbissständen und einer riesigen Expo ist das Gebiet nicht nur umfang- und abwechslungsreich gestaltet, sondern auch mit sehr viel Leben gefüllt. Die zahlreichen Dekorationen am Rand, die unterschiedlich gekleideten Figuren und etliche Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielwelt haben mich immer wieder überwältigt. Doch wie gelange ich nun an Sierra Knox, die gerade in ihrem Sportwagen sitzt und versucht, das Rennen für sich zu entscheiden?

Eine Möglichkeit wäre es, sie nach dem Rennen auf der VIP-Party abzufangen und auf den passenden Moment zu warten, um sie „klassisch“ mit einem Messer zu erstechen – vorausgesetzt ich habe zuvor irgendwo im Missionsgebiet eines finden können und zudem irgendwie Zugang zum VIP-Bereich erlangt. Ich könnte aber auch das Brechmittel, das ich im Erste-Hilfe-Zelt eingesteckt habe, nutzen um ihr Getränk zu vergiften – wenn den Akt niemand bemerkt kann ich ihr anschließend auf einer nahe gelegenen Toilette auflauern! Wenn ich es schaffe, mich als Automechaniker zu verkleiden, könnte es auch möglich sein, ihr Fahrzeug zu manipulieren. Oder ich verkleide mich als das Maskottchen, das ich bei einem Telefonat über Dokumente, die Sierra Knox belasten könnten, belauscht habe und nutze die Verkleidung um sie zu konfrontieren und dann… – ihr merkt schon, die Auswahl ist beeindruckend. Ich möchte auch nicht zu viel spoilern, aber dies sind nur einige der Beispiele, wie ihr eines der Ziele dieses Levels ausschalten könnt – danach steht immer noch Robert Knox als zweiter Tagespunkt auf der Liste.

Halt dich an den Plan. Vergiss den Plan.

Diese ausgefallenen Vorgehensweisen müssen euch übrigens nicht zwangsläufig selbst einfallen, da ihr auch den sogenannten Story-Missionen, die euch bei eurem Vorhaben anleiten, folgen könnt. Bei diesen sollte jeder das Spiel so einstellen, wie er es möchte: Während Anfänger vielleicht auf viele Anleitungen zurückgreifen wollen, können Vollblut-Agenten die Story-Missionen auch bewältigen, indem sie heimlich Gesprächen lauschen oder sich genau in ihrer Umgebung umschauen. Es kann sicher nicht jede Story-Mission das Niveau ihrer vorherigen halten, wodurch manche Stories etwas konstruiert erscheinen. Die Liebe zum Detail, mit der IO Interactive die einzelnen Alternativwege mit Dialogen und Eventualitäten gestaltet hat, ist aber absolut beeindruckend und schafft einen Wiederspielwert, mit dem nur wenige Stealth-Games mithalten können.

Hitman 2 wird also mit jedem neuen Versuch unterhaltsamer: Erst wenn ihr das Areal wie eure Westentasche kennt, Personen einschätzen könnt und genau wisst, wo ihr welchen Gegenstand findet, werdet ihr den Controller aus der Hand legen wollen. Anfangs streift ihr nur mit recht rudimentärer Ausrüstung durch die Missionen und macht vor allem von Gegenständen Gebrauch, die ihr zufällig in der Umgebung findet. Eurer ständiger Helfer ist hierfür die L1-Taste, die nicht nur jederzeit die Positionen eurer Zielpersonen, sondern auch anderer Menschen und nutzbaren Gegenständen hervorhebt. Mit einem Schraubenschlüssel lassen sich gewisse Objekte zur Ablenkung manipulieren, ein gezielter Wurf mit einem Baseball lässt Personen bewusstlos werden und wenn man einen Leibwächter mundtot macht, kann ihm natürlich anschließend auch seine Waffe entwenden.

Versuch 47

Wenn ihr ein Level mehrmals abschließt, erhaltet ihr aber auch Erfahrungspunkte und schaltet nach und nach neue Möglichkeiten für den Start frei. Dadurch könnt ihr, bevor ihr eine Mission zum wiederholten Male beginnt, etwa eine Waffe in gewisse Verstecke schmuggeln lassen, eure Startausrüstung erweitern und die Mission aus einer ganz anderen Startpositionen angehen. Damit euch auch nach Abschluss aller Story-Missionen nicht langweilig wird, haben sich die Entwickler für jeden Schauplatz noch mehr als fünfzig Herausforderungen ausgedacht, die euch weitere Inspirationen für eurer Vorgehen liefern. Durch den hohen Wiederspielwert der einzelnen Level stand ich persönlich beim Spielen oft vor einem Gewissenskonflikt: Gehe ich den aktuellen Schauplatz noch ein zehntes Mal an oder wechsle ich zum nächsten Areal? Ich will schließlich auch wissen, wie es weiter geht! Hier zeigt sich ein entscheidender Vorteil, den der Vorgänger noch hatte: Durch die Veröffentlichung in Form von Episoden waren Spieler gezwungen, sich mit einzelnen Episoden Zeit zu lassen und konnten nach ein bis zwei Monaten ganz ohne Gewissenskonflikte in ein neues Level starten.

So oder so lohnt es sich aber eindeutig, in jede einzelne Episode mehrere Stunden zu stecken – die Qualität bleibt durchweg auf einem hohen Level. Gerade gegen Ende kann es aber auch wirklich knackig werden, obwohl ihr mit den Story-Missionen in der Regel auf recht vielversprechende Wege gelenkt werdet. Mir persönlich haben jene Level am besten gefallen, die mich in zu Auftragsmorden in speziellen Szenarien geschickt haben. Das detailreich inszenierte Rennevent in Miami oder die Grillparty in einer wohlhabenden Wohnsiedlung sind wesentlich unverbrauchter als einen Stützpunkt eines Drogenkartells inmitten des kolumbianischen Dschungels zu infiltrieren.

Zu zweit jagt es sich besser

Auch wenn die Einzelspielerkampagne in Sachen Umfang und Abwechslung beinahe keine Wünsche offen lässt, hat IO Interactive das Stealth-Spiel noch um einige Zusatzinhalte ergänzt. Dazu zählen unter anderem einige Multiplayer-Modi: Im Ghost Mode treten zwei Spieler online gegeneinander an und müssen versuchen, zufällig ausgewählte Ziele schneller auszuschalten als das Gegenüber. Dabei spielen beide Kontrahenten in ihrer eigenen Welt und gegenseitige Interaktionen sind nur sehr bedingt möglich. Der Zeitdruck durch den Gegner lässt die Meuchelmorde aber hektischer werden und gibt ihm neue Kniffe, wodurch der Ghost-Modus eine interessante, wenn auch noch etwas unausgereifte Nebenbeschäftigung wird. Ähnlich verhält es sich mit einem Scharfschützen-Modus, bei dem man auf einer Hochzeit aus großer Entfernung einige Ziele ausschalten muss: Sowohl für Solisten als auch für Online-Spieler eine willkommene Abwechslung, die qualitativ aber hinter den Hauptmissionen zurückbleibt. Ein tolles Extra sind in meinen Augen die „Schwer zu fassendes Ziel“-Missionen, um die das Spiel auch nach dem Launch von Zeit zu Zeit erweitert wird. Hier hat jeder Spieler genau einen Versuch, eine besondere Person in einem der bekannten Schauplätze zu eliminieren. Scheitert ihr, ist es für euch vorbei – das sorgt für eine extra Portion Nervenkitzel.

Attentat mit Schönheitsfehlern

Doch leider sitzt auch bei Agent 47 nicht alles perfekt. Vor allem auf technischer Seite gibt es einige Kleinigkeiten, die den Gesamteindruck etwas schmälern. Kleinere Physik-Fehler, KI-Aussetzer oder Bugs sind zwar in einigen Fällen etwas störend, in anderen Momenten aber wieder belustigend – Hitman 2 nimmt sich schließlich auch selbst nicht todernst. Ironischerweise zeigt sich auch bei der Technik, dass Hitman 2 klar aufs Schleichen ausgelegt ist: In hektischen Schussgefechten leidet die Framerate und es gibt deutlich spürbare Ruckler. Das kann bei der ein oder anderen Situation durchaus störend sein, wenn ein perfide ausgeklügelter Plan nicht aufgeht – unspielbar wird Hitman 2 aber zu keinem Zeitpunkt. Abgesehen davon zeigt sich Agent 47 grafisch von seiner Schokoladenseite: Die Präsentation ist nicht nur sehr stilsicher, sondern auch abwechslungsreich. Egal ob braun-grüner Dschungel oder das bunte Treiben am Rande der Rennstrecke: IO Interactive setzt jedes Szenario passend in Szene und sorgt dafür, dass es sich atmosphärisch abhebt.

Wertung im Einzelnen
Gameplay
9
Grafik & Sound
8.5
Umfang & Abwechslung
9
Story
8
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