Releasetermin: 24.01.2019
Medientyp: Download
Genre: Adventure
Entwickler: Dontnod Entertainment
Herausgeber: Square Enix
Der Auftakt von Life is Strange 2 machte im September letzten Jahres Hunger auf mehr: Mit der herzerwärmenden Geschichte rund um die flüchtigen Brüder Sean und Daniel gelang Dontnod Entertainment ein ergreifender Auftakt in die zweite Staffel des Adventures. Nach etwa vier Monaten Wartezeit setzen die Entwickler die Geschichte mit der zweiten von fünf Episoden fort. Ob „Rules“ das hohe Niveau von „Roads“ halten kann, kläre ich im folgenden Test. Achtung: Wer die erste Episode von Life is Strange 2 noch nicht gespielt hat, springt am besten direkt zum Fazit dieser Review – so könnt ihr mögliche Spoiler vermeiden.
Zwei Brüder, viele Herausforderungen
Natürlich dreht sich in der zweiten Episode von Life is Strange 2 alles um Daniels übernatürliche Fähigkeiten. Tagsüber versucht das Brüderpaar herauszufinden, was hinter der magischen Gabe steckt: Im verschneiten Wald bringt Daniel angeleitet von Sean kleinere Felsen zum Schweben oder fängt mit seinen telekinetischen Kräften Schneebälle ab, die sein Bruder in seine Richtung wirft. Schnell wird Sean klar, dass diese Fähigkeit zahlreiche Möglichkeiten, aber auch eine riesige Verantwortung mit sich bringt.
Dontnod Entertainment lenkt so den Fokus auch im zweiten Teil der Story wieder stark auf die zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Protagonisten. Da Sean neben seiner Rolle als großer Bruder auch zunehmend die seines verstorbenen Vaters einnehmen muss, stellt Life is Strange 2 den Spieler erneut vor viele erzieherische Fragen: Wie viele Freiheiten lasse ich Daniel? Wie bestrafe ich ihn, wenn er sich nicht an die Regeln hält und die Fähigkeiten fahrlässig nutzt? Und was, wenn es zu einem Notfall kommt? Soll Daniel die gefährlichen Kräfte in diesem Fall einsetzen dürfen?
Parallel dazu befinden sich die Brüder weiterhin auf der Flucht und sind dabei nach der Begegnung mit Brody wieder auf sich alleine gestellt. Ihr Unterschlupf in einer verlassenen Waldhütte bietet den Brüdern zwar für kurze Zeit Schutz vor der eisigen Kälte, muss aber kurze Zeit später schon wieder verlassen werden. Denn nicht nur ihre Essensvorräte werden immer knapper, auch Daniels gesundheitlicher Zustand verschlimmert sich zunehmend. Also setzen sie alles auf eine Karte: Die Eltern ihrer verschwundenen Mutter wohnen in einem kleinen Dorf ganz in der Nähe. Es ist zwar riskant – schließlich könnten sie an die Polizei verraten werden – dennoch bleibt es die einzige Hoffnung für Sean und Daniel.
Ein Wiedersehen mit Captain Spirit
An dieser Stelle ist es Zeit für einen kurzen Exkurs: Wer es noch nicht getan hat, dem empfehle ich nämlich noch vor Beginn der zweiten Episode das kostenlose Life is Strange-Spinoff „Die fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ zu spielen. Das Quasi-Prequel erzählt nicht nur eine unterhaltsame Kurz-Story, sondern bietet gleichzeitig sehr interessante Hintergrundgeschichten, die in der zweiten Episode von Life is Strange 2 wieder relevant werden und in einen Punkten sogar geringfügige Auswirkungen auf das Spielerlebnis haben. Denn das Haus von Captain Spirit, einem jungen Superhelden-Fan, der bei seinem alkoholsüchtigen und gewalttätigen Vater aufwächst, befindet sich direkt neben dem von Seans und Daniels Großeltern. Dontnod Entertainment fädelt die einzelnen Handlungsstränge zwar nur sporadisch und vorhersehbar zusammen, sorgt aber dafür, dass auch in Episode 2 wieder sehr interessante Nebencharaktere auftauchen.
Bröckelnde Faszination
Der hübsche Comic-Artstyle von Life is Strange 2 hat auch in seiner zweiten Episode nichts von seinem Charme eingebüßt und verzaubert den Spielern immer wieder mit herausragenden Bildern. Überrascht hat mich außerdem erneut die stellenweise wirklich großartige Regie: Die kleineren Zwischensequenzen werden mit wenig Action und Tempo, dafür aber mit umso mehr Fingerspitzengefühl für Stimmung inszeniert. Die Momente, in denen Dontnod Entertainment einzelne Bilder zu leiser Musik einfach nur auf den Spieler wirken lässt, zählen auch in der zweiten Episode von Life is Strange 2 zu den inszenatorischen Highlights des Spiels. Ähnlich begeistert haben mich wieder einige der Schauplätze, die besonders durch kleine Details an Charme gewinnen – der wunderschön verschneite Flusslauf und der herrlich verspielte Garten von Captain Spirit und seinem Vater sind nur zwei Beispiele für Umgebungen, die mir nachhaltig im Kopf geblieben sind.
Doch auch wenn die zweite Episode mit einigen Dialogen wieder meinen emotionalen Nerv trifft, so bleiben größere Überraschungen im zweiten Kapitel der Geschichte leider aus. Die Brüderbeziehung zündet und bietet weiterhin viel Potenzial – gleichzeitig fallen aber auch spürbare Defizite in der Charakterzeichnung auf. Besonders im Vergleich zu Chloe aus dem Vorgänger und seinem Prequel wirkt Sean als Protagonist sehr austauschbar. Es sind mehr die Umstände – verstorbener Vater, verschwundene Mutter, ein Bruder mit Zauberkräften – die mich in den Bann ziehen und dem Charaktergespann die notwendige Tiefe bieten. Sean hingegen hat auch nach vier bis fünf Stunden Spielzeit leider noch immer keine wirklich prägnante Persönlichkeit entwickelt. Besonders bei einem Spiel wie Life is Strange, das im Gameplay sehr minimalistisch bleibt und selbst auf Rätsel weitestgehend verzichtet, wirkt sich das stark auf das Spielerlebnis aus.
Technisch nicht einwandfrei
Außerdem gibt es leider einige Kritikpunkte am technischen Zustand des Spiels. Kleinere Soundbugs machen die Spielerfahrung zwar nicht komplett zunichte, schmälern aber den Gesamteindruck und nehmen gewissen Momenten ihre emotionale Wirkung. Noch viel ärgerlicher war ein schwerwiegender Bug, der in meinem Spieldurchlauf auftrat und durch eine unsichtbare Wand mein Vorankommen unmöglich machte. Eigentlich sollte dieser in der von mir gespielten Version bereits behoben worden sein – so musste ich leider einen Spielabschnitt wiederholt spielen.