Releasetermin: 20.12.2017
Genre: Adventure
Entwickler: Deck Nine
Herausgeber: Square Enix
Eigentlich beeindruckend, wie die dritte Episode von Life is Strange: Before the Storm weitaus mehr Vorfreude bei mir auslöste, als sämtliche Gaming-Highlights des vergangenen Jahres. Vor „Erwacht“, dem Auftakt der Prequel-Reihe, war ich zugegeben noch sehr skeptisch. Doch spätestens mit der zweiten Episode – „Brave New World“ – hatte mich die emotionale Geschichte rund um Chloe und Rachel vollständig in ihrem Bann. Das natürliche Charakterverhalten, die fabelhafte Musik und die spannenden Beziehungsgeflechte machten Before the Storm bisher zu einem nahezu magischen Videospielerlebnis. Mit Life is Strange: Before the Storm – Die Hölle ist Leer findet alles ein Ende – ob die Auflösung der Fragen den hohen Erwartungen gerecht wird, kläre ich im Test. Aus Spoilergründen halte ich die inhaltliche Beschreibung des Finales natürlich möglichst kurz – zur Einordnung werden im Test aber zentrale Story-Aspekte der vorangegangenen Episoden angeführt.
Emotionale Erzählung mit Schwächen im Abschluss
Nachdem Rachel herausgefunden hatte, dass die vermeintliche Affäre ihres Vaters eigentlich ihre leibliche Mutter ist, sorgte dies für Verwirrung und ganz neue Sichten auf die Vergangenheit. Entgegen der zahlreichen Ratschläge ihrer Familie möchte Rachel ihre wirkliche Mutter kennen lernen, was jedoch offenbar kein einfaches Unterfangen ist. Dem Treffen stehen nämlich ihr schützender Vater, die dunkle Geschichte ihrer Mutter sowie kriminelle Aktivitäten, in die Rachel und Chloe im Prequel-Abschluss noch stärker involviert werden, im Weg. Die Entwickler wechseln den Fokus der Erzählung aber nicht plötzlich komplett zu einer Mutter-Tochter-Geschichte, sondern behalten die romantische Beziehung zwischen Rachel und unserer Protagonistin weiter im Mittelpunkt. Gleichzeitig versucht Deck Nine zahlreiche eröffnete Erzählstränge im Finale zusammenzuführen: Schulden beim Drogen-Dealer, die Beziehung zwischen Chloes Mutter und ihrem Freund, Aktivitäten von anderen Schülern der Blackwell Academy. Der Grundgedanke ist gut, letztendlich bekommt aber leider nicht jede Geschichte ein zufriedenstellendes Ende. Keine Frage, die Charakterzeichnung der Entwickler ist äußerst gelungen – vermutlich war es am Ende einfach die Menge, die Deck Nine nicht mehr unter einen Hut bekam.
Das ist besonders deswegen schade, da mich Life is Strange: Before the Storm dadurch sogar mit einem Ende zurücklässt, bei dem mir diverse offene Fragen bleiben. Was wurde aus Charakter X? Wieso hat Figur Y mich urplötzlich konfrontiert? Und warum endet das Spiel so abrupt, ohne mich die Konsequenzen der abschließenden Entscheidung auch spielerisch spüren zu lassen? Besonders der letzte Punkt lässt die Erfahrung unvollendet wirken: nachdem mich das gesamte Spiel weitestgehend nur vor kleine Entscheidungen setzt, resultierte eine Wahl am Ende in minutenlangem Kopfzerbrechen über moralische Werte. Wirklich aufregend – doch bleibt das Resultat erzählerisch nur knapp erwähnt. Dass nicht jede Aktion von umfassenden Auswirkungen begleitet wird, hat mich im restlichen Spiel aber weniger gestört. Kleine Details, wie dass der Ehering von Chloes Mutter doch nicht verkauft wurde, nachdem man ihr in der ersten Episode etwas Geld zukommen ließ, waren nette Extras.
Stärken in Regie & Musik, verschenktes Potenzial im Gameplay
Abseits der Erzählung kann Deck Nine die Qualität der vorherigen Episoden aber wahren: der Comic-Grafikstil entwickelt sich zwischenzeitlich zu magischer Malerei und bestärkt die emotionalen Momente durch fantastische Farben, detailreiche Szenenbilder und gelungene Perspektiven in der Regie. Ähnlich verhält es sich mit dem Soundtrack, der dank der einprägsamen Indie-Rock-Stücke zweifellos zu den besten des Jahres gehört und mich beim Einsetzen sofort an die schönen Momente des Spiels zurückdenken lässt. Wie gut dieses Zusammenspiel funktionieren kann, beweisen die Entwickler direkt zu Beginn der Episode. Als Chloe Rachels Zimmerdecke mit kleinen Lichtspielereien zu einem Sternenhimmel verwandelt und ihr während der emotionalen Zerrissenheit beisteht, ist die untermalende Auswirkung der Melodien unglaublich.
Stärken beweisen die Entwickler auch wieder in den Dialogen, die bei den gefühlsbetonten Momenten von Rachel und Chloe erneut nicht zu kitschig wirken – eine Disziplin, in der sich Before the Storm wesentlich besser zeigt als Life is Strange. Der Zauber des Übernatürlichen wird im Prequel durch passend eingesetzte Metaphorik ersetzt. Generell steht der Geschichte die ruhige und bodenständigere Erzählweise in meinen Augen deutlich besser als die apokalyptische Handlung des Vorgängers. Die innovative Spielmechanik des Zeitreisens fehlt durchaus, sodass sich Before the Storm mehr wie ein interaktiver Film anfühlt als wie ein vollwertiges Adventure. Dafür bietet auch die neu eingeführte Widerworte-Mechanik keinen zufriedenstellenden Ersatz.