Releasetermin: 23.01.2018
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: JRPG
Entwickler: Tokyo RPG Factory
Herausgeber: Square Enix
Auf I am Setstuna folgt Lost Sphear: nachdem die Tokyo RPG Factory vorletztes Jahr mit ihrem Erstwerk bereits ein klassisches Japano-Rollenspiel veröffentlichten, erschien kürzlich der geistige Nachfolger des JRPG-Geheimtipps. Square Enix erfüllt im Hintergrund die Rolle des Publishers, daher lassen sich Gedanken an Rollenspiel-Giganten wie Final Fantasy natürlich nicht vermeiden. Auf den ersten Blick wirkt Lost Sphear verhältnismäßig unspektakulär – ob der Eindruck trügt und wir es vielleicht sogar mit einem richtigen Rollenspiel-Epos zu tun haben, erfahrt ihr im Test.
Eine Welt verschwindet im Nichts
Und die ersten Minuten des Spiels wecken bereits großes Interesse: angefangen im kleinen Heimatdorf des Protagonisten Kanata, Elgarth, verschwinden urplötzlich zahlreiche Personen, Gebäude oder sogar ganze Städte. Sie werden in weißes Licht gehüllt und scheinen für immer „verloren“. Zeitgleich gibt es in vielen Gebieten auch Berichte von Monstern, die für Probleme sorgen. Glücklicherweise scheint Kanata als Auserwählter die Fähigkeit zu haben, Verschwundenes durch das Sammeln von Erinnerungen wieder zum Leben zu erwecken – und wenige Minuten später befindet er sich mit drei Freunden auf der Mission, die Welt zu retten. Dafür müssen sie vor allem verschiedenste Erinnerungen sammeln. Manche finden sie in ihrem Umfeld oder sie erhalten sie durch das Besiegen von Monstern. Andere wiederum müssen aus Dialogen mit Stadtbewohnern oder durch das Lesen von antiken Steintafeln extrahiert werden. Habt ihr alle benötigten Gedanken an die Vergangenheit zusammen, könnt ihr Verlorenes wieder in die Realität holen.
In der Theorie klingt das sehr spannend, spielerisch wird das aber nur sehr mau umgesetzt. Und auch wenn das Konzept der Story zunächst Interesse weckt und viel Potenzial birgt, haben die Entwickler es leider nicht geschafft, mich durchgängig mit narrativen Qualitäten zu unterhalten. Das lag in erster Linien an den Figuren, die es nicht schaffen, sich über lahme RPG-Stereotypen hinwegzusetzen, in ihren Gesprächen kaum tiefer gehende Charaktereigenschaften offenbaren und so für die emotionalen Momente keinerlei Verbindung aufbauen können. Zudem wird die Story gerade zu Beginn sehr schleppend erzählt, beherbergt einige vorhersehbare Aspekte und besitzt trotz des linearen Spielablaufs ein ungünstiges Pacing. Aber in der sympathischen Welt von Lost Sphear fühlte ich mich trotzdem wohl: besonders die charmanten Städte laden zum Verweilen und Erkunden ein, auch wenn Gespräche mit den Bewohnern nur selten mit wirklich interessanten Anekdoten geschmückt sind.
Charmantes Design mit Abstrichen
Die grafische Inszenierung von Lost Sphear ist ein ständiges Auf und Ab: der niedliche Grafikstil gefällt mir gut und bleibt in einigen Momenten zum Beispiel wegen des detailliert gestalteten Mobiliars in den Gebäuden positiv in Erinnerung. An anderen Stellen des Spiels bekommt man es aber auch mit kargen Umgebungen zu tun, die innerhalb eines Grundthemas nur wenig Abwechslung oder Akzente bieten. Bei der großen Oberwelt hat das jedoch weniger gestört: diese ist bezaubernd gestaltet, da sie neben unterschiedlichen Terrains wie Gebirgen oder Wiesen auch Mini-Versionen der Städte, Dungeons und Gebäude abbildet. Ein großer Kritikpunkt sind aber die unfertig wirkenden Events – löst beispielsweise das Betreten eines neuen Gebiets eine kleine Cutscene aus, erscheinen Nebencharaktere unschön aus dem Nichts, statt selbstständig ins Bild zu laufen. Natürlich steckt hinter Lost Sphear nicht das Budget eines Final Fantasy XV, in einigen Momenten hat man aber mehr das Gefühl ein überdurchschnittliches RPG-Maker-Spiel vor sich zu haben, statt eines Rollenspiels, das unter Square Enix erscheint.
In den kämpferischen Auseinandersetzungen kann sich Lost Sphear besser präsentieren: rennt ihr in eine Monstermenge oder werdet anderweitig in einen Kampf verwickelt, kommt ein Active-Time-Battle-System auf der Grundlage von I am Setsuna zum Einsatz. Die Kämpfer eurer Gruppe können erst angreifen, wenn sich ihre Aktionsleiste aufgefüllt hat und haben die Möglichkeit, zwischen Standard-Angriffen und magischen Fähigkeiten zu wählen. Macht ihr zum richtigen Zeitpunkt von gewissen Quick-Time-Events Gebrauch, könnt ihr für zusätzlichen Schaden sorgen. Entscheidend ist auch die Positionierung der Figuren. Bei jedem Angriff könnt ihr euch im Kampfbildschirm frei bewegen. Das ist einerseits zum Ausweichen vor feindlichen Attacken nützlich, kann aber andererseits auch offensiv genutzt werden. Viele Angriffe lassen sich nämlich richtig eingesetzt nicht nur gegen einen Feind, sondern gegen mehrere Widersacher gleichzeitig wirken. Das Kampfsystem wirkt zwar anfangs etwas chaotisch, ist letztendlich aber sehr spaßig und lädt zu taktischen Kombinationen ein. Wirklich anspruchsvoll ist Lost Sphear dabei eigentlich nur in den länger andauernden, aber teilweise recht lahm inszenierten Bosskämpfen. Abseits davon ist es begrüßenswert, dass Lost Sphear den Spieler nicht dazu zwingt, stundenlange Grinding-Sessions durchzuführen.
Ein klangvolles Abenteuer
Abseits der Kämpfe wird am Equipment geschraubt: bei Händlern kauft ihr neue Waffen oder Rüstungen und mit speziellen Items könnt ihr sie mehrmals verbessern. Nach einigen Stunden steckt ihr Kanata & Co. auch in Kampfroboter, die sogenannten Volcosuits. Daraus resultieren nochmal andere Möglichkeiten für die Kämpfe. Ähnliches gilt für die verschiedenen Magie-Angriffe und Kampf-Items. Zwischen Erkundung, Story und Kämpfen reist ihr auch einige Zeit durch die ansehnliche Spielwelt von Lost Sphear. Zufallskämpfe gibt es in der Oberwelt keine, auf Begegnungen müsst ihr euch also nur in den einzelnen Untergebieten einstellen. Dafür könnt ihr bei eurer Reise Artefakte aktivieren, die euch mit Zusatzeffekten für euer Abenteuer ausstatten. Neben langen Fußmärschen reist ihr auch in der Luft oder tuckert mit eurem Schiff über Wassergebiete. An diesem Punkt ist auch der überaus gelungene Soundtrack von Tomoki Miyoshi zu erwähnen, der stets die richtigen Klänge für die einzelnen Abschnitte eurer Reise findet und sich mit einigen Stücken in euer Gedächtnis brennt.