Releasetermin: 13.10.2017
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Survival-Horror
Entwickler: Tango Gameworks
Herausgeber: Bethesda
Dem Horror-Genre geht es hervorragend! Auf der einen Seite großartige Erfolge von AAA-Titeln wie Resident Evil 7, auf der anderen Seite spannende Indie-Games und experimentelle Spiele wie Until Dawn. Shinji Mikami, der als Erfinder der Resident-Evil-Reihe berühmt geworden ist, hat einige seiner Vorstellungen vom modernen Horror vor drei Jahren in der neuen IP The Evil Within umgesetzt. Drei Jahre später erscheint mit The Evil Within 2 eine Neuorientierung der Serie, die bekannte Tugenden mit Open-World-Aspekten kombiniert. Ob das Spiel trotzdem schocken kann, kläre ich im Test.
Auf erschreckender Suche
The Evil Within 2 baut zwar in gewissen Punkten auf der Handlung seines Vorgängers auf, ohne Vorwissen kommt man aber trotzdem ganz gut zurecht. Die Einführung mit einigen Namen, der Firma Mobius und der STEM-Maschine kommt zwar etwas abrupt – abgesehen von einigen Querverweisen ist die Handlung anschließend aber ohne größere Einschränkungen verständlich. Im Mittelpunkt steht Detective Sebastian Castellanos, der in der Hoffnung seine totgeglaubte Tochter Lily retten zu können einen Ausflug in die mysteriöse STEM-Welt Union macht. Die STEM-Maschine kreiert diese Welt auf Grundlage des Bewusstseins einer Person und lässt verschiedene Menschen in dieses eindringen. Wie zu erwarten war, läuft das nicht unbedingt problemlos ab.
Ganz im Gegenteil: was Sebastian in Union zu Gesicht bekommt, könnten sich manche nicht in ihren schlimmsten Albträumen ausmalen. Die nächtliche Kleinstadt ist von merkwürdigen Menschenfresser-Mutanten besiedelt, blutverströmte Hausfassaden und Leichenstapel zieren die Straßen und undefinierbare Geräusche sorgen für eine sehr ungemütliche Atmosphäre. Alles trachtet Sebastian nach dem Leben und die Suche nach Lily wirkt aufgrund weniger Anhaltspunkte ziemlich aussichtslos. Darüber hinaus treibt offenbar ein Künstler mit übernatürlichen Kräften sein Unwesen in der STEM-Welt, der schnell zu einem charismatischen Gegenspieler für Sebastian wird.
Packender Horror – aber nicht immer!
Schon früh im Spiel zeigen sich die Auswirkungen der neuen Open-World-Mechaniken. Neben „klassischen“ linearen Abschnitten könnt ihr die offene Welt von Union frei erkunden. Anhaltspunkte erhaltet ihr hierfür über Quellen von Funksprüchen, die zu verschollenen Mobius-Mitarbeitern oder direkt zu Lily führen könnten. Dabei steht es euch relativ frei, wie viel ihr neben dem Story-Pfad erkunden wollt. Viele der Gebäude sind betretbar und beherbergen kleine Nebengeschichten oder Munition und Waffenteile, die in der apokalyptisch angehauchten Welt durchaus von Vorteil sein können. Auch wenn The Evil Within 2 in den offenen Arealen weniger das Potenzial zum gruseligsten PS4-Spiel hat, gefällt mir, wie die Entwickler ein sehr interessantes Survival-Horror-Gefühl vermitteln können. Das Gebiet von Union ist dicht gepackt, hat keinerlei unnötige Laufwege und stellt den Spieler trotz des Open-World-Charakters zwischendurch vor direkte Konfrontationen, verliert dabei aber nicht die spielerische Freiheit. Wer sucht, findet gleich mehrere Alternativwege um Zombiehorden aus dem Weg zu gehen und so den Kampf zu meiden, ein brachiales Vorgehen ist aber genauso möglich – wenn auch nicht immer ratsam.
Zum wirklich schaurigen Horror-Erlebnis wird The Evil Within 2 aber erst in den linearen Abschnitten, die der schaurigen Atmosphäre des Vorgängers in nichts nachstehen. Groteske Architektur, surreale Bilder und nicht zuletzt das hervorragende Monsterdesign lassen The Evil Within 2 in gewissen Abschnitten zu wirklich düsterem Psycho-Horror werden. Hier werden einzelne, schreckenerregende Widersacher zur zentralen Quelle der Angst, ekelhafte und bedrückende Kreaturen schleichen durch die Gänge und sorgen für einen spannenden Mix aus langsamem Versteckspiel, hektischer Flucht und noch viel chaotischeren Boss-Kämpfen. Einen großen Teil zum Horror steuert auch die Soundkulisse des Spiels bei: die Musik spielt grandios mit Lautstärken, setzt zu richtigen Zeitpunkten ein und sorgt für ein sehr treibendes, schauriges Gefühl. Zusätzlich zum erstklassigen Monsterdesign werden zudem sämtliche Kreaturen nicht zuletzt durch furchteinflößende Geräusche zu beängstigenden Begegnungen. Und mit dieser Angst spielt The Evil Within 2: beim Schleichen durch ein Gebäude hören wir hinter einer verschlossenen Tür ein Geräusch, das wir schnell mit einer elektrischen Säge in Verbindung bringen und unmittelbar danach geht das Kopfkino los – wenn wir der mehrköpfigen, blutverströmten Kreatur mit Kreissäge in der Hand später begegnen, wird der fiktive Horror plötzlich real.
Jeder Schritt zählt
Auf spielerischer Ebene überleben wir das Abenteuer durch Schleichen, Sammeln, Haushalten von Ressourcen und kämpferischen Auseinandersetzungen mit den bösartigen Kreaturen. Der erste Versuch ist stets unentdeckt zu bleiben, Begegnungen mit Monstern zu vermeiden oder solche unbemerkt hinterrücks auszuschalten. Einmal entdeckt, kann man auf diverse Schusswaffen zurückgreifen: neben der Pistole und dem Zombie-Allzwecktöter Schrotflinte sorgt besonders auch eine Armbrust für taktische Finessen. Diese kann mit verschiedenen Arten von Bolzen ausgerüstet werden und so neben direkten Attacken auch zum Stellen von Fallen genutzt werden. Rauch-Bolzen erschweren die Sicht, Elektro-Bolzen können Feinde vorrübergehend zurückhalten und Explosiv-Bolzen werden ihrem Namen gerecht. Zudem hat mir gefallen, wie teilweise mit der Umgebung interagiert werden kann: ausgelaufene Öl-Fässer oder aufgedrehte Hydranten verändern den Boden so, dass man mit gezielten Pistolen-Schüssen oder Elektro-Bolzen zusätzliche Erfolge erreichen kann.
Zwischen einzelnen Ausflügen findet ihr euch immer wieder in Unterschlüpfen wieder, die eine Vielzahl von Aktionen ermöglichen. Hier könnt ihr euer Spiel speichern, eure Lebenspunkte komplett auffüllen und nicht zuletzt an der Werkbank neue Items herstellen. Dabei gefällt mir, wie simpel und transparent The Evil Within 2 das Crafting-System gehalten hat. Neben neuer Munition für sämtliche Waffen könnt ihr auch Verbesserungen an den einzelnen Waffen vornehmen. Ohne großartige Pläne auswendig zu lernen weiß ich ziemlich genau, welche Ressourcen für welchen Bereich des Craftings benötigt werden, sodass die ewige Suche nach einzelnen Materialien ausbleibt. Trotzdem sind die Waffen-Upgrades umfangreich: erhöhter Schaden, größere Munitionskapazität, höhere Feuerrate und geringere Nachladezeit – selbst kleine Stellschrauben können hier im Kampf entscheidend sein. Verbesserungen nehmt ihr auch am eigenen Charakter vor. So könnt ihr unter anderem Sebastians Gesundheit verbessern, seine Ausdauer stärken oder seine Schleichfähigkeiten schulen.
Fern von Perfektion
Auch wenn der spielerische Gesamteindruck von The Evil Within 2 sehr positiv zurückbleibt, gibt es einige Kleinigkeiten, die meine Euphorie um den Horror-Titel leider etwas schmälern. Die KI hat gelegentlich deutliche Aussetzer und schafft es beispielsweise nicht durch eine Tür zu laufen – zwar hat mir dies mehrmals das Leben gerettet, die Immersion leidet darunter aber leider enorm. Kritik habe ich auch an der Steuerung und Kamera: zwar haben wir hier nicht die Dimensionen einiger Resident-Evil-Teile, trotzdem steuert sich Sebastian manchmal etwas hakelig und wenig agil. Und auch die Grafik hat ihre Probleme: generell finde ich das Design der Spielwelt, der Monster und auch die düstere Farbgebung hervorragend, spät ladende Texturen und die schwankende Detailqualität in einigen Charaktermodellen ziehen den Gesamteindruck aber etwas runter. Apropos schwankend: generell ist die Spannung von The Evil Within 2 sehr ungleichmäßig. Einige Abschnitte ließen mich mit Herzklopfen und Wow-Effekt zurück, in anderen Teilen des Spiels (vorwiegend der Open-World) gab es allerdings nur wenig Horror und auch die Story nimmt nur langsam Fahrt auf – wird zum Ende hin aber richtig spannend.