Auf der diesjährigen Gamescom lief ich am Stand der kroatischen Entwickler von Croteam vorbei, wo eine VR-Umsetzung des Puzzle-Spiels The Talos Principle vorgestellt wurde. Aufgrund eines anstehenden Termins hatte ich leider nicht die Zeit, mir das Spiel vor Ort anzusehen. Ich malte mir jedoch aus, dass sich das Konzept wunderbar für VR eignen würde. Zumal hat Croteam mit diversen Serious Sam-VR-Umsetzungen schon bewiesen, dass das Studio weiß, wie man unterhaltsames Geschehen in der virtuellen Welt bietet. Ich habe mich daher zum Release von The Talos Principle VR darüber gefreut, mir in Ruhe die Vollversion anschauen zu können. Der Titel ist mittlerweile über Steam für HTC Vive und Oculus Rift erhältlich, ich habe auf der Vive gespielt. Wie meine Erfahrung ausgefallen ist, erfahrt ihr in meinem Test.
Eine mysteriöse Prüfung
Mir wurde The Talos Principle von einem Kumpel einst als “Portal (Rätselspiel von Valve) mit philosophischem Touch” beschrieben. Diese Umschreibung kommt dem Ganzen tatsächlich recht nahe. Das Spiel kommt mit einer kuriosen Prämisse daher. Der Spieler erwacht im Körper eines Androiden und hört eine mysteriöse Stimme, die sich als “Elohim” ausgibt. Diese Figur erklärt uns, warum sie den Androiden in seinen “Garten” bestellt hat – um Erleuchtung zu erlangen, muss der Protagonist diverse Rätsel lösen. Die Prüfung von Elohim sieht vor, dass wir durch Gebiete verschiedener Zeitepochen reisen, die Areale erkunden und uns an Umgebungsrätsel wagen. Diese stellen uns durch zielsuchende Explosionsroboter, bewegungsempfindliche Geschütze und jede Menge versperrte Hologramm-Wände vor eine Herausforderung. Es gibt nur eine Regel, der wir folgen müssen: Wir dürfen nicht den ominösen Turm erklimmen, der in der Welt von Elohim platziert ist.
Die Geschichte stellt den Spieler vor viele offene Fragen, was einen großen Reiz ausmacht. Wer oder was ist Elohim? In was für einer Welt befinden wir uns? Was hat es mit dem Turm auf sich? Was ist das „Talos-Prinzip“?
Regelmäßig gesellen sich dazu weitere Fragezeichen, doch können wir uns schon bald so einige Punkte zusammenreimen, da uns der Titel immer wieder Hinweise gibt. Elohim meldet sich gelegentlich zu Wort, außerdem lassen sich in der Spielwelt Nachrichten finden. Mit interessanten philosophischen Ansätzen hat mich The Talos Principle in seinen Bann gezogen. Es gibt mehrere Enden, zudem erweitert auch der enthaltene Road to Gehenna-DLC die Geschichte gelungen. Das Werk von Croteam hat bereits in seiner regulären Fassung viel Ruhm eingefahren. Und ohne spoilern zu wollen, möchte ich sagen: Auch wenn der Inhalt in der VR-Fassung exakt der selbe ist, kommt die Handlung hier aus vielen Gründen noch besser herüber. The Talos Principle eignet sich sowohl inhaltlich als auch spielerisch fantastisch für die virtuelle Realität.
VR-Fortbewegung toll gelöst
Das Geschehen ist recht simpel gehalten, weshalb es sich gut für eine VR-Umsetzung geeignet hat. Der Spieler manövriert sich durch verschiedene Gebiete, die mit Natur und futuristischer Technik optisch durchaus interessant präsentiert werden. Die Fortbewegung in VR stellt im Gameplay noch die größte Herausforderung dar – und diese Problematik meistert The Talos Principle VR mit Bravour. Der Titel bietet ebenso eine Teleportationsmechanik wie eine Option zur traditionellen Fortbewegung. Der Teleport eignet sich besonders für Leute, die noch keine “VR-Beine” haben oder schlichtweg stets von Unwohlsein geplagt sind, sobald die virtuelle Fortbewegung nicht mit der Realität übereinstimmt. Mit dem Touchpad des rechten Vive-Controllers legt man sich auf eine Stelle zum Teleport aus. Mit dem linken Controller lässt sich jederzeit die Blickrichtung anpassen. Während man theoretisch seinen ganzen Platz im Zimmer für Room-Scale-Geschehen ausnutzen kann, ist The Talos Principle VR demnach auch in Stehposition spielbar.
Der Teleport funktioniert gut und kommt mit zusätzlichen Optionen daher. Durch die “Blink”-Option wird beispielsweise vor jedem Teleport der Bildschirm kurz schwarz, um für maximalen VR-Komfort zu sorgen. Wer hingegen keinerlei Probleme mit der berühmt berüchtigten “VR-Krankheit” hat, kann das Touchpad des Controllers quasi zum Analog-Stick umfunktionieren und sich traditionell fortbewegen. Auch hier gibt es eine Reihe von Einstellungsmöglichkeiten. Mit diesen bestimmt man beispielsweise, ob die Laufrichtung von der Blickrichtung abhängt oder sich danach richtet, in welche Richtung der zweite Controller beim Laufen gehalten wird. Es hat mich sehr gefreut, dass Croteam viele Optionen zur Fortbewegung bereitstellt. Zwar hätte ich mich auch über alternative Varianten wie beispielsweise das Auf-der-Stelle-Joggen-Konzept zur Fortbewegung gefreut. Jedoch will ich mich keinesfalls beschweren, da VR-Neulinge und -Profis gleichermaßen bedient werden – und das ist doch die Hauptsache.
Gameplay intuitiv umgesetzt
Neben der Fortbewegung durch die Areale steht die Interaktion mit Objekten im Vordergrund. Spieler legen Schalter mit natürlichen Handbewegungen um und nutzen Störsender, die optisch einer Kamera auf einem Stativ ähneln. Die Handhabung der Elemente fällt mit den Bewegungscontrollern absolut intuitiv aus. Die Störsender lassen sich in fast jedem Level finden und sind das hauptsächliche Spielelement von Talos Principle. Bewegungssensitive Roboter patrouillieren die Gebiete, ebenso gibt es Geschütze, deren Sichtradius wir dringend vermeiden sollten. Störsender können diese Hindernisse deaktivieren. Es gibt allerdings auch viele Kraftfelder, die mit dem Störsender aufgehoben werden müssen. Von den Spielern ist gefordert, mit der begrenzten Anzahl an Störsendern in jedem Level die Hindernisse zu überlisten.
Im Laufe des Spiels kommen zudem komplexere Aspekte zur Rätsellösung dazu. Es gibt beispielsweise eine Box, die sogenannte „Störer“ am Bewegen hindern oder als schweres Gewicht Bodenschalter umlegen kann. Besonders knifflig wird es durch Farbportale, deren Farbstrahlen quer durch das ganze Level mit Hilfe von Verknüpfungsstativen geleitet werden sollen.
Wir müssen nicht selten um die Ecke denken, viel Geschick beweisen und gutes Timing haben, um ein Level lebendig zu durchkreuzen. Am Ende jedes Abschnitts wartet ein “Siegel”, das zum weiteren Fortschritt der Story benötigt ist. Werden ausreichend Siegel einer bestimmten Art freigeschaltet, können thematisch neue Welten betreten werden. In vielen Levels sind zudem Sterne versteckt, die meist sehr schwer zu erlangen sind. Mir hat besonders gut gefallen, dass man dank VR oft ein gutes Verständnis dafür bekommt, wie die Rätsel grundsätzlich funktionieren. Da man ein sehr gutes Raumverständnis hat, konnte ich viele Puzzle leichter lösen als noch am Monitor, als ich den Titel vor mehreren Monate einmal ausprobiert hatte.
Mir hat nicht jede Auflösung gefallen und bei manchen Rätseln musste ich mit den Augen rollen, nachdem ich dann doch auf die Lösung kam. The Talos Principle hält aber auch viele wirklich raffinierten Konzepte bereit. Manche Rätsel sind wirklich bockschwer und verlangen dem Spieler einiges an Hirnschmalz ab. Umso schöner ist dann das Erfolgserlebnis, wenn man nach einer halben Stunde des Überlegens und Herumprobierens endlich ein scheinbar unlösbares Level knackt. The Talos Principle zählt sicherlich zu den besseren Rätselspielen, die ich bisher erlebt habe. Wer Spaß an Titeln wie Portal oder The Witness hat, wird sich hier gut aufgehoben fühlen.
Tricksen durch Teleport
Die VR-Umsetzung kann aber nicht in jeder Hinsicht punkten. Bei Benutzung der Teleport-Mechanik hatte ich das Öfteren das Gefühl, die Hindernisse auszutricksen. Zwar sind diverse Sperren aktiv, um genau das zu verhindern und so können wir uns nicht einfach kreuz und quer durch das Level teleportieren. Hin und wieder aber gelangen mir dann doch eine Reihe von Teleportationen, die mich vermuten ließen, dass die eigentliche Lösung des Levels etwas anderes vorgesehen hat. Weiterhin muss ich zugeben, dass Spieler der regulären Version des Spiels nur wenige Gründe haben, sich die VR-Fassung zuzulegen. Das liegt aber mehr an der Beschaffenheit des Genres. Wenn man erst einmal die Lösung eines Rätsels kennt, verliert der zweite Durchgang einiges an Magie. Wer das Spiel samt DLC also bereits auf einem gewöhnlichen Bildschirm beendet hat, sollte sich bewusst sein, dass der Inhalt nun einmal exakt der selbe ist.
Erkundung in VR noch einmal spaßiger
Die VR-Version hat allerdings noch eine weitere Stärke in petto, die über die tolle Umsetzung der Rätsel hinausgeht. In der virtuellen Welt ist es sogar unterhaltsam, sich in der Umgebung schlicht umzuschauen. The Talos Principle VR bietet häufig zwar öde Gänge mit wenig optischen Highlights, doch gerade die mysteriösen Hub-Welten haben auch viele tolle Szenerien auf Lager. Mit ansehnlichen Natur-, Ruinen- und Tempeldarstellungen läd das Spiel regelrecht zur Erkundung ein. In dieser Hinsicht hat die VR-Fassung ihrem Ursprung durchaus etwas voraus.
Dabei sieht die Spielwelt in auch VR passabel aus. Es erfordert natürlich einiges an Leistung, sämtliches Geschehen doppelt für beide Augen bei 90 FPS zu berechnen. Auch hier gehört der Titel wie bei den Fortbewegungsmöglichkeiten dank etlichen Grafik-Optionen aber zum Besten, was VR zu bieten hat. Durch effektive Anti-Aliasing-Einstellungen, nette Grafik-Effekte und Supersampling kann The Talos Principle VR wirklich spektakulär aussehen. Aus Performance-Gründen konnte ich auf meiner in die Jahre gekommenen R9 390 natürlich nicht die höchsten Einstellungen wählen. Doch selbst auf der Stufe “Mittel” gibt das Spiel ein tolles Bild ab. Die technische Umsetzung ist daher vorzüglich gelungen.
Vollgepackt und hochwertig umgesetzt – genau, was die VR-Szene braucht
Wer auf der Suche nach umfangreichen und vollwertigen VR-Spielen ist, wird sich darüber freuen, dass Croteam die Vollversion des Puzzle-Erlebnisses umgesetzt hat. Mit diversen Welten, jeweils mit unterschiedlicher Thematik, und dutzenden Levels hält das Spiel jede Menge Inhalt parat. Es dürfte für die meisten Spieler mindestens 15 Stunden dauern, bis ein Ende der Story erreicht ist. Wer wirklich alle Siegel und Sterne freispielen und alle Geheimnisse entdecken will, blickt noch längerer Spielzeit entgegen. Weiterhin ist der beliebte “Road to Gehenna”-DLC enthalten, der nicht nur für weiteren Umfang, sondern mit kreativen Levels auch für etwas mehr Abwechslung im Spielgeschehen sorgt.
Es gibt nicht viele VR-Spiele, die über 20 Stunden Inhalt bieten, was auch den Preis von 36,99€ rechtfertigt. Das reguläre Basisspiel war zwar schon des Öfteren zu wesentlich günstigeren Preisen im Angebot. Doch da hier zudem der DLC enthalten ist und eine wirklich vorzügliche VR-Umsetzung abgeliefert wurde, die entsprechend aufwendig für die Entwickler war, geht der Preis völlig in Ordnung.
Fazit
Wer auf Rätselspiele steht und eine HTC Vive oder Oculus Rift besitzt, sollte sich The Talos Principle VR nicht entgehen lassen! Auch wenn mich nicht jedes Puzzle vollends überzeugen konnte, gehört das Spiel dennoch zum Besten des Genres. Das Geschehen ist sehr intuitiv in VR umgesetzt und punktet mit tollen Optionen zur Fortbewegung. Auch die Story hat mich mit ihren philosophischen Gedanken in den Bann gezogen. Der Umfang ist klasse und rechtfertigt den Preis vollkommen. Ein solch hochwertiges und umfangreiches VR-Spiel ist sein Geld allemal wert!
Alle Spieler der regulären Fassung sollten sich aber gut überlegen, ob das Rätsel-Abenteuer mit dem Androiden auch ein zweites Mal Spaß machen würde. Die VR-Umsetzung hat zwar nicht zuletzt durch die spaßige Erkundung ihren Mehrwert. Allerdings verlieren Rätselspiele leider an Reiz, wenn man die Lösungen erst einmal kennt. Wer aber den Road to Gehenna-DLC noch nicht erlebt hat, sollte den VR-Titel aber im Blick behalten und gegebenenfalls bei einem Sale zuschlagen, um zumindest den Erweiterungs-Inhalt frisch in VR zu erleben – es lohnt sich!